Typisch auch für ein TRIZ-BarCamp ist, dass erst am Veranstaltungstag selbst das endgültige Programm des Tages entsteht. Zu Beginn stellen alle Session-Geber ihr Thema vor. Diese reichten von technischen Fragestellungen wie z.B. „Geringeres Verletzungsrisiko beim Tragen eines mobilen Defibrillators“, über „Zukunftsentwicklung von Versicherungsprodukten“ hin zu großen gesellschaftlichen Fragen „Wie kann der Plastik-Müll in der Welt reduziert werden“. Auch Fragestellungen zur TRIZ-Anwendung, zum gezielten Wissensaustausch für interdisziplinäre Problemlösungen oder zum einfachen Einstieg in die TRIZ-Methodik standen zur Wahl.
Die Mitarbeiterin eines Lampenherstellers trieb die Frage um, wie sich LED-Beleuchtungssysteme für den privaten Gebrauch weiterentwickeln werden. Mittels dem „9 Felder-Denken“ sammelten die Gruppenmitglieder Zukunftstrends und mögliche Entwicklungen in den Baugruppen. Unter Anwendung der „Entwicklungstrends Technischer Systeme“ der TRIZ-Methodik wurde dann deutlich, dass mit der Entwicklung der LED-Lampen in Bezug auf das Leuchtmittel das Umfeld künftig eine tragende Rolle z.B. als leuchtende Einrichtungsgegenstände übernehmen kann. Könnte es ein, dass es zukünftig keine separaten Decken-Leuchten mehr braucht, weil z.B. die Tapete die Leuchtfunktion übernimmt? Oder die Nutzerin ihre Leuchtquelle mit sich trägt und so das Licht mit ihr wandert? Mit diesen Überlegungen würde sich der Schwerpunkt der Entwicklungstätigkeiten vielmehr auf Umgebungsprodukte verlagern. Diese Ergebnisse überraschten die Session-Geberin, denn sie bedeuteten eine völlig unerwartete Perspektive und deutlich andere Richtung als die bisherigen Denkweisen.
Ein weiteres Beispiel einer spannenden Diskussion war die Frage: Wie können Windgeneratoren zwar „da sein“, um regenerative Energie zu gewinnen und zugleich „nicht da sein“, um die Landschaft unberührt zu belassen? Diese Formulierung nennen wir TRIZ-er einen „Physikalischen Widerspruch“, der auf den ersten Blick unlösbar zu sein scheint. Doch die gemischte Runde der TRIZ-BarCamp-Teilnehmer_innen sprühte nur so vor Ideen und Anregungen, die auf den ersten Blick sicher ein Schmunzeln auslösen. Doch wer weiß, wohin diese Ideen führen…:
Windgeneratoren könnten durch Schornsteineffekte oder durch Lufteinlässe an Gebäuden ersetzt werden, die Masten könnten „grün“ bepflanzt werden, sie könnten bei Windstille oder tagsüber umklappen oder die Rotorblätter aus transparentem Material gefertigt sein. Der Fata-Morgana-Effekt könnte helfen, de Generatoren unsichtbar zu machen und mehrere schmale Rotorblatt-Ausführungen könnten die Sichtbarkeit ebenfalls verringern. Umsetzbar klingen auch die Überlegungen Projektionen oder optische Spiegeleffekte einzusetzen oder Drachen-Windkraftwerke in luftigen Höhen. Viele dieser Ideen basieren gedanklich auf den „40 innovativen Grundprinzipien“ der TRIZ-Methodik, die auch im weiteren Entwicklungsprozess immer wieder als Ideenanregungen nützlich sind.
Die Frage, wie die Müllberge in den Flüssen und im Meer reduziert werden könnten, erwies sich als ein sehr komplexes weltwirtschaftliches Thema. Denn die Ursachen-Wirkungsketten-Analyse und Umfeldanalyse zeigte schnell auf, dass die wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen und politische Machtträgern und die Bedürfnisse der Weltbewohner_innen in verschiedene Richtungen gehen. Somit rückte die Hoffnung auf eine schnelle umfassende Lösung zur Erfüllung der Nachhaltigkeitsziele in weite Ferne. Aufgrund der kurzen Zeit konnten verschiedene Ansätze nur angerissen werden, wie z.B. die Idee „Gitter“ in Flüssen anzubringen, um Plastikmüll zurückzuhalten und als Ressource für andere Verwertungszwecke wie z.B. Inselbauten verfügbar zu machen. Deutlich wurde allerdings, dass die Investition in biologisch abbaubare Wassergefäße und in die Bewusstseinsbildung für nachhaltiges Handeln bei Herstellung und Konsum notwendig ist, um das weitere Anwachsen der Müllberge zu verhindern.
Das TRIZ BarCamp konnte dank des Sponsorings der internationalen TRIZ-Organisation „MATRIZ“ stattfinden. Das nächste TRIZ BarCamp werden Barbara Gronauer, StrategieInnovation und Obfrau des VDI Fulda, und Horst Nähler, c4pi – Center for Product-Innovation, in Kooperation mit dem VDI veranstalten. Gronauer und Nähler haben beide die Richtlinien VDI 4521 „Erfinderisches Problemlösen mit TRIZ“ im FA 320 Innovationsmethodiken mitverfasst und bieten über die TRIZ Akademie Workshops und Schulungen an.
Sessions und Ergebnisse des 1. TRIZ BarCamps 2018